Die Vorteile des späten Abklemmens
Der erste riesige Vorteil des späten Abklemmens wurde oben bereits erwähnt – das Baby erhält 30% – 50 % mehr Blut (siehe das Video unten, Penny Simpkin, die weltberühmte Autorin und Doula, sagt es seien eher 50% die dazu kommen – 300 ml in Baby bei Geburt, 150 ml noch in Plazenta und Nabelschnur). Das ist voll geformtes Blut, mit bis zu 60% mehr roter Blutkörperchen. Die roten Blutkörperchen ist das Teil des Blutes, das Sauerstoff transportiert. Also bekommen Babys, die ihr Blut haben dürfen, nach der Geburt mehr Sauerstoff, da sie mehr rote Blutkörperchen haben, die es transportieren können. Dieses glückliche Baby hat somit ein vermindertes Risiko einer Anämie.
Das MEHR an Blut bedeutet aber auch, dass Dein Baby nach der Geburt seine Temperatur besser halten kann. Auch nimmt Babys Blut nach der Geburt die Restflüssigkeit in Baby’s Lungen auf. Auch dies kann Baby besser tun, wenn er mehr Blut hat.
Natürliches Auspulsieren lassen der Nabelschnur, bis das Blut von Plazenta ins Baby übergegangen ist, bedeutet auch, dass Baby mehr Stammzellen bekommt. Stammzellen sind jene Zellen, die Dinge, die nach der Geburt nicht so sind, wie man sich das erhofft, einfach selber reparieren können. Aber das ist noch nicht alles, was Dein Kind nicht erhält, wenn es sein Blut nicht bekommt.
In Studien wurde ebenfalls herausgefunden, dass Kinder, deren Nabelschnur natürlich auspulsieren durfte, auch monatelang nach der Geburt einen höheren Eisen- und Ferritinvorrat hatten, und zwar bis zu 6 Monate lang (was magischerweise die Zeit ist, wenn Babys normalerweise anfangen, selber essen zu wollen). Etwa 45 % mehr Eisenvorrat erhalten Babys mit dem Mehr an Blut. Eisen ist übrigens wichtig für die Gehirn- & neurologische Entwicklung. Die 45 % mehr entsprechen etwa dem Eisen in 100 Litern Brustmilch. Das ist also eine ganze Menge, das man so einfach auch nicht ersetzen kann.
Das sind aber noch lange nicht alle theoretischen Vorteile. Es ist in der Tat so, dass Baby nach der Geburt, wenn es anfängt, selber zu atmen, mehr Blutvolumen braucht, weil er jetzt 50% seines Blutes in die Lungen sendet, wenn er vor der Geburt nur 8% seines Blutes dorthin geschickt hat. Das ist so, weil nun die Lungen ihre Arbeit aufnehmen, um Baby mit Sauerstoff zu versorgen. Das heisst, um seinen Körper genauso gut mit Blut versorgen zu können, benötigt Baby mehr Blutvolumen – dieselbe Menge wie vor der Geburt reicht nach der Geburt nicht mehr genauso gut.
Langfristige Vorteile wurden ebenfalls nachgewiesen: Kinder, deren Nabelschnur für mindestens 3 Minuten lang nicht abgeklemmt wurden, zeigten mit 4 Jahren bessere Feinmotorik und soziale Fähigkeiten, vor allem bei Jungs (Andersson et al, 2015).
Ein weiterer Vorteil ist, dass Baby eine sanfte Eingewöhnungsphase in die Eigenverantwortung hat: während Baby sich an die neue Welt und an das selbständige Atmen gewöhnt, hat er noch weiterhin die Sicherheit des mit Sauerstoff angereichertem Blut, das zu ihm zurück kommt.
Und ein weiterer großer Vorteil ist natürlich, dass solange Dein Kind an der Nabelschnur ist, und die Plazenta noch in Mama, Dir keiner Dein Kind wegnehmen kann – was an sich wieder jede Mange Vorteile für Mama und Kind bietet.
Nabelschnur intakt halten kann Leben retten
Für alle Babys ein Vorteil
Dieser Vorteil wird mittlerweile in unseren Kliniken größtenteils zugestanden. Babys wird “erlaubt”, ihr Eigenblut nach der Geburt zu erhalten, und Babys dürfen erst mal bei Mama bleiben.
In meiner Erfahrung ändert sich das leider zum alten, unlogischen Muster, sobald Baby geboren ist, und die medizinische Einschätzung ist, dass Baby Hilfe benötigt. In diesen Fällen wird immer noch sehr schnell zur Schere gegriffen, und Baby von seiner Mama abtransportiert.
Hier noch ein Video von Penny Simkin, das zeigt, wieviel Blut des Babys erst nach der Geburt zum Baby fliesst, wenn die Nabelschnur in takt bleibt:
https://www.youtube.com/watch?v=W3RywNup2CM
Quellen:
Andersson, Ola, et al. “Effect of delayed cord clamping on neurodevelopment at 4 years of age: a randomized clinical trial.” JAMA pediatrics 169.7 (2015): 631-638.
Fogarty, Michael, et al. “Delayed vs early umbilical cord clamping for preterm infants: a systematic review and meta-analysis.” American Journal of Obstetrics & Gynecology 218.1 (2018): 1-18.