Es ist ganz natürlich dass das Baby irgendwann in der Schwangerschaft in Beckenendlage liegt. Je näher der Geburtstag des Kindes rückt, desto wichtiger wird eine Auseinandersetzung mit dem Thema: vaginal oder per Kaiserschnitt gebären?
Hier möchte ich euch hier noch ein paar Informationen geben, die euch in die Materie einführen. Für meine HypnoBirthing-Mütter nach dem Kurs empfehle ich, dies in der Tat nur in diesem Falle weiter zu lesen.
Beckenendlage vaginal zu gefährlich?
Da eine Studie um die Jahrtausendwende das Ergebnis berichtete, dass vaginale Beckenendlage (BEL)-Geburten schlechtere Ergebnisse haben als Kaiserschnitt-Geburten eines BEL-Babys (Hannah et al, 2000), wurden sie daraufhin so gut wie abgeschafft. Das ist nicht gerechtfertigt, denn es gibt methodologische Probleme mit der Studie. Die Studie war völlig undifferenziert, was dazu geführt hat, dass man sogar Verletzungen und Probleme, die durch eine falsche Handhabung des Personals kamen (wie zum Beispiel Ziehen am Kinde, wenn man es nicht tun sollte) einer Beckenendlage “gutgegschrieben” hat (übrigens: selbst diese Studie, fand in einem Follow-Up (4 Jahre später, Hannah et al, 2004; Whyte et al, 2004) keine erheblichen Unterschiede für die Kinder.
Beckenendlage: gut ausgebildetes Geburtspersonal ist Pflicht!
Dank neueren Studien (z.B. Goffinet et al, 2006), die eine bessere Methodologie hatten, wurde dieses schlechte Zeugnis für BEL-Geburten wieder weitestgehend korrigiert (auch dank der Follow-Up-Studie), und die BEL findet ihren Weg ganz langsam wieder in unsere Geburts-Möglichkeiten. Was allerdings auch klar aus den Studien hervor geht, ist, dass wenn man eine BEL-Geburt ins Auge fassen will, es sehr wichtig ist, sich Personal zur Unterstützung dazu zunehmen, die dafür jedes Jahr wieder geschult werden, und womöglich auch noch eigene Erfahrung darin haben.
Kaiserschnitt vs. vaginale Beckenendlage-Geburt: Wahrscheinlichkeiten abwägen
Die Zahlen zur aufrechten vaginalen Beckenendlage-Geburt
Louwen et al, 2017 berichtet, dass aufrechte vaginale BEL-Geburten etwa vergleichbar gute Resultate für Baby erzielte, wenn man schwere Geburtsverletzungen betrachtet (es gab einen leichte Anstieg der Wahrscheinlichkeit auf 1,37, verglichen mit liegenden vaginale Geburten, wo die Kinder “richtig” herum liegen – also mit dem Kopf nach unten).
Auf die Mütterliche Lage kommt es aber auch an!
Die Unterscheidung “liegende” versus “aufrechte” Beckenendlagegeburt ist dabei für das Geburtsergebnis äußerst wichtig:
Aufrechte Geburten führten zu signifikant weniger Geburtsmanövern (OR 0,45) und Neugeborenenverletzungen (nur 8%), verglichen mit liegenden Beckenendlage-Geburten. Die Geburtsphase war im Durchschnitt 42% kürzer (1,02 vs 1,77 Stunden) – die Länge ist meines Erachtens wesentlich darauf zurückzuführen, dass viele der Frauen eine PDA hatten. Ernste Dammrisse waren auch viel seltener – etwa ein drittel so viele.
Die Zahlen zum Kaiserschnitt
folgen eines Kaiserschnittes für Baby
Diesen Zahlen sollte man die möglichen Folgen eines Kaiserschnittes gegenüberstellen.
Statistisch gesehen haben Kaiserschnitt-Babies eine 2-3 Mal so hohe Wahrscheinlichkeit, die Intensivstation des Krankenhauses zu benötigen (Kamath, et al, 2009; Dempsey, 2016) – und das gilt für gewollte Kaiserschnitte, also jene, die aus nicht-medizinischen Gründen von Mutter gewählt wurden. Dies sind jene Kaiserschnitt-Geburten, wo man keine Probleme bei Baby erwarten muss – also liegt der Grund der höheren Zahl beim Kaiserschnitt.
Auch haben Kaiserschnitte – wenn auch schlechter messbaren – Langzeitfolgen für Baby. Diese können sein: Allergien – je nach Studie 500 % – 37 % erhöhte Wahrscheinlichkeit (Henry Ford Health System, 2013; Renz‐Polster et al, 2005); Obesität (13 % erhöhte Wahrscheinlichkeit, Li et al, 2013); Asthma (zwischen 20% und bis zu 20 Mal so wahrscheinlich, Sevelsted et al, 2015 bzw. Arrieta et al, 2015 (extrapoliert durch causale Linkung, die höchstwahrscheinlich nicht voll übertragbar ist); Diabetes Typ 1 (20 % erhöhte Wahrscheinlichkeit, Cardwell et al, 2008).
Bei den Langzeitfolgen ist die allgemeine Annahme, dass bei der vaginalen Geburt dem Baby gute Bakterien mitgegeben werden, die wichtig sind, damit alles seinen guten, gesunden, gewohnten Lauf nimmt. Wenn diese am Anfang fehlen, wie zum Beispiel bei einer Kaiserschnittgeburt, käme es zu Problemen.
folgen eines Kaiserschnittes für Mama
Aber es kommt auch zu negativen Folgen für Mama – jede Menge kurzfristige Probleme (wie es halt zu erwarten ist, wenn einem der Bauch aufgeschnitten wird), aber auch u.U. langfristige Probleme bei der Narbenverheilung, und Folgeprobleme und Gefahren wegen Narbe bei weiteren Geburten, die durchaus wichtig sein können.
Beckenbalance und Positionierung als Lösung?
Auch wenn eine vaginale BEL-Geburt mit einem gut ausgebildeten Team eine gute Möglichkeit ist, lohnt es sich meiner Meinung nach, zu versuchen, Baby im Bauch jene Voraussetzungen zu geben, die es ermöglicht, dass es sich in die normale (also kopfüber-Position) dreht. Dabei helfen Dehnungsübungen für Beckenbalance, und danach zusätzliche Übungen zum spontanen Drehen eines BEL-Babys in die Kopf-zuerst-Lage. Das wird bei mir im Kurs abgedeckt, oder bei spinningbabies.com gelehrt.
Auch kann eine externe manuelle Drehung des Babys im Bauch versucht werden. Die Erfolgschance hier liegt bei etwa 50-60 %. Alternativ oder zusätzlich kann man unter Umständen auch Akkupunktur/ professionelle Körperarbeit wie beim Physiotherapeuten oder Osteopathen, oder eine Hypnosesession für das Wenden des Kindes probieren. Unter Umständen kann auch das Moxen am kleinen Zeh helfen.
Ausser der externen manuellen Drehung, die erst ab der 37. SSW in Betracht kommt, sollten alle anderen Mittel, eine Drehung zu bewirken, bereits ab Woche 33 in Betracht gezogen werden.
Möglichkeiten einer Beckenendlagen-Geburt im Raum Stuttgart ist gegeben
Auf jeden Fall: lasst euch nicht stressen – hier im Stuttgarter Raum gibt es ja die Filderklinik, die hat sehr viel Erfahrung mit BEL, also ist das auch überhaupt kein Problem, wenn Baby sich letztendlich doch nicht drehen mag! Das Paracelsus Krankenhaus in Ruit bietet Beckenendlagegeburten ebenfalls an.
Noch abschließende Tipps und Wissenswertes bei vaginaler Beckenendlagen-Geburt
Zum Technischen einer Beckenendlage kann ich euch folgendes sagen: bei Beckenendlage-Geburten ist eine aufrechte Geburtsposition, wie zum Beispiel der Vierfüsslerstand (generell sind das die von der Mutter selber ausgewählte Positionen) jene, die am besten funktionieren. Früher wurde gelehrt, dass man bei Beckenendlage einen Dammschnitt setzt, damit das Geburtspersonal mehr Platz hat bei eventuellen Hilfemaßnahmen – das machte Sinn, wenn Mutter für die Geburt auf dem Rücken liegt, da in dieser Geburtsposition fast immer manuelle Hilfe notwendig wird (Shawn Walker, 2014). Diese Meinung wird von den Experten in Beckenendlage nicht mehr geteilt. Heute lehrt man, dass man bei Beckenendlage den Dammschnitt nicht setzten sollte, weil ein intakter Damm Baby dabei hilft, den Kopf zur Brust zu neigen, was die Geburt erleichtert. Es scheint so zu sein, dass es in der Tat bei Beckenendlage zu wenigen Verletzungen am Damm kommt – weniger sogar als bei jenen, wo Baby “gewöhnlich herum” (aka Kopf nach unten) liegt (Bogner et al, 2015). Auch ist es so, dass spontane Rissverletzungen meist leichter sind, und schneller und besser verheilen (Chehab et al, 2014; Amorim et al, 2017).
Shawn Walker hat Anke Reitter (eine vorstehende Forscherin und Expertin im Gebiet der Beckenendlage-Geburten und modernen Techniken für die sichere Beckenendlagegeburt) gefragt, was für eine Alternative es gäbe bei der sehr selten auftretenden Situation einer aufrechten vaginalen Beckenendlage-Geburt, in der das Perineum die Geburt des Körpers übermäßig lange zurückhält. Anke Reitter beschrieb eine Art “Damm-Massage” – ein Finger wird an Rande des vaginalen Einganges zwischen Kopf und Vagina eingeführt, und von innen um den Ausgang herumgeführt. Das scheint in vielen Situationen auszureichen, um die Geburt ohne Dammschnitt fortschreiten zu lassen (Walker, 2014).
Zusätzlich möchte ich eine weitere Alternative in die Diskussion aufwerfen. Gail Tully (also jene Hebamme, die spinningbabies.com entwickelt hat) hat von einer ungenannten Ärztin gelernt, dass manchmal der Grund, weshalb ein Baby nicht zügig aus dem Geburtsweg kommt, ein intaktes, zu festes Jungfernhäutchen sein kann. Wenn ein Jungfernhäutchen am Scheideneingang das normale Dehnen des Scheidenausganges nicht zulässt, kommt es dazu, dass die meisten Geburtshelfer annehmen, es wäre notwendig, einen Dammschnitt anzuwenden. In dem Falle eines intakten Jungfernhäutchens würde es allerdings reichen, nur einen kleinen Schnitt in das Gewebe des Jungfernhäutchens zu setzen. Dies ist nicht ein spezielles Vorkommen bei Beckenendlage, sondern generell bei vaginalen Geburten, egal ob Kopf zuerst oder Popo zuerst :-). Dies ist nicht Allgemeinwissen in der Geburtshilfe, und ich empfehle auf jeden Fall das Aufbringen einer solchen Möglichkeit wenn der Geburtshelfer das Wort Dammschnitt in den Mund nehmen sollte 🙂 .
Visualisiere Deine Beckenendlage-Geburt schon vorab
Zum visualisieren gibt es u.a. diesen Eintrag auf meinem Blog:
Und hier gibt es noch weitere Videos und Fotos:
https://www.youtube.com/watch?v=nZOjMiec7DI
https://www.youtube.com/watch?v=oFabMR4sg5g&has_verified=1
http://spinningbabies.blogspot.de/2010/06/baby-june-home-breech-birth-june-2010.html
http://redheadmusings.blogspot.de/2010/06/story-of-miriams-breech-homebirth.html
https://www.youtube.com/watch?v=I5HeBcAoqZc&has_verified=1
Hier ist ein Dokument das die Filderklinik zur BEL herausgeben:
Viel Erfolg!
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Quellen:
Hannah, Mary E., et al. “Planned caesarean section versus planned vaginal birth for breech presentation at term: a randomised multicentre trial.” The Lancet356.9239 (2000): 1375-1383.
Whyte, Hilary, et al. “Outcomes of children at 2 years after planned cesarean birth versus planned vaginal birth for breech presentation at term: the International Randomized Term Breech Trial.” American journal of obstetrics and gynecology 191.3 (2004): 864-871.
Hannah, Mary E., et al. “Maternal outcomes at 2 years after planned cesarean section versus planned vaginal birth for breech presentation at term: the international randomized Term Breech Trial.” American journal of obstetrics and gynecology 191.3 (2004): 917-927.
Goffinet, François, et al. “Is planned vaginal delivery for breech presentation at term still an option? Results of an observational prospective survey in France and Belgium.” American journal of obstetrics and gynecology 194.4 (2006): 1002-1011.
Louwen, Frank, et al. “Does breech delivery in an upright position instead of on the back improve outcomes and avoid cesareans?.” International Journal of Gynecology & Obstetrics 136.2 (2017): 151-161.
Renz‐Polster, H., et al. “Caesarean section delivery and the risk of allergic disorders in childhood.” Clinical & Experimental Allergy 35.11 (2005): 1466-1472.
Henry Ford Health System. “Babies born by C-section at risk of developing allergies.” ScienceDaily. ScienceDaily, 25 February 2013. <www.sciencedaily.com/releases/2013/02/130225091904.htm>
Li HT, Zhou YB, Liu JM. The impact of cesarean section on offspring overweight and obesity: a systematic review and meta-analysis. Int J Obes (Lond). 2013 Jul;37(7):893-9. doi: 10.1038/ijo.2012.195. Review. PubMed PMID: 23207407 https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/23207407/
Cardwell CR, Stene LC, Joner G, Cinek O, Svensson J, Goldacre MJ, Parslow RC, Pozzilli P, Brigis G, Stoyanov D, Urbonaite B, Sipetić S, Schober E, Ionescu-Tirgoviste C, Devoti G, de Beaufort CE, Buschard K, Patterson CC. Caesarean section is associated with an increased risk of childhood-onset type 1 diabetes mellitus: a meta-analysis of observational studies. Diabetologia. 2008 May;51(5):726-35. doi: 10.1007/s00125-008-0941-z. PubMed PMID: 18292986. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/18292986/
Arrieta, Marie-Claire, et al. “Early infancy microbial and metabolic alterations affect risk of childhood asthma.” Science translational medicine 7.307 (2015): 307ra152-307ra152.
Sevelsted, Astrid, et al. “Cesarean section and chronic immune disorders.” Pediatrics 135.1 (2015): e92-e98.
Dempsey, Rhea. Birth with Confidence: Savvy choices for normal birth. BookBaby, 2016.
Kamath, Beena D., et al. “Neonatal outcomes after elective cesarean delivery.” Obstetrics and gynecology 113.6 (2009): 1231.
Chehab, M., et al. “Impact of a major decrease in the use of episiotomy on perineal tears in a level III maternity ward.” Journal de gynecologie, obstetrique et biologie de la reproduction 43.6 (2014): 463-469.
Bogner, Gerhard, et al. “Breech delivery in the all fours position: a prospective observational comparative study with classic assistance.” Journal of perinatal medicine 43.6 (2015): 707-713.
Amorim, M., et al. “Selective episiotomy vs. implementation of a non-episiotomy protocol: a randomized clinical trial.” Reproductive health 14.1 (2017): 55.
Walker, Shawn. “The breech and the perineum”. breechbirth.org.uk, 2014.