Ihr wollt eine natürliche Geburt im Krankenhaus? Dann solltet ihr möglichst spät hingehen 😉
Diese amerikanische Studie hinterfragte, ob es einen Zusammenhang zwischen frühem und spätem Eintreffen im Krankenhaus und medizinische Eingriffe in den Geburtsvorgang und Folgen für Kind gibt. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das frühzeitige Ankommen im Krankenhaus (also wenn der Muttermund kleiner als 4 cm ist) ein Risikofaktor vor allem für Eingriffe in den Geburtsvorgang ist (also PDA, Kaiserschnitt, das Verabreichen von künstlichem Oxytocin). Es gab nur eine geringe Erhöhung von negativen Folgen für das Kind und auch nur bei erstgebärenden Müttern.
Ich möchte hier genau eingrenzen: die Studie zieht über 11.000 Geburten in Betracht, alle im amerikanischen Krankenhäusern in Washington. Deshalb darf gerne hinterfragt werden, ob diese Studie auch für Deutschland aussagekräftig ist.
Es gibt eine Studie aus Deutschland (Schwarz, 2008), die fasst das so zusammen:
“ Als wesentlichster prädiktiver Faktor für eine Geburtseinleitung ergab sich die Aufnahme in den Kreißsaal mit unreifem Befund (Muttermundsweite 1 cm oder weniger). Die Indikationen für operative Entbindungsmethoden zeigten insgesamt eine Zunahme weicher Indikationen, insbesondere die Indikation „Sonstiges“ stieg um ein Vielfaches. Im Versorgungsgeschehen des geburtshilflichen Bereichs sind aufgrund der Ergebnisse dieser Untersuchung Anzeichen von Fehlversorgung zu konstatieren, insbesondere eine beträchtliche Überversorgung von low-risk Schwangeren sowie eine übliche Praxis, die nur wenig evidenzbasiert ist. Im Sinne einer bedarfsgerechteren Versorgung – vor allem für die Mehrzahl von gesunden Schwangeren mit komplikationslosem Schwangerschafts- und Geburtsverlauf – bedarf es einer Versorgung, die geeignet ist, physiologische Prozesse zu stärken und unnötige Interventionen zu vermeiden. Dafür fehlen dem deutschen Versorgungssystem Strukturen, die salutogene Ansätze fördern, wie auch evidenz-basierte Leitlinien und Informationen, zudem eine Korrektur des finanziellen Anreizsystems.“
In Deutschland wird fast jedes dritte Kind per Kaiserschnitt geboren. Dabei muss man bedenken, dass andere Länder weit darunter liegen, und die WHO angibt, dass diese Rate optimalerweise nicht über 10% liegen sollte (http://www.who.int/reproductivehealth/publications/maternal_perinatal_health/cs-statement/en/)), sonst kommt es statistisch gesehen zu einem schlechteren Ausgang für Mutter und Kind. Dazu kommt, dass diese Rate immer noch unnötig hoch sein könnte (in “Ina May’s Guide to Childbirth” wird spekuliert, dass die Kaiserschnittrate, wenn die Geburt anders gehandhabt werden würde, eher um die 2 % liegen würde, was auch mit Beispielen belegt wird…., und Rockenschaub hatte in seiner Wiener Geburtsklinik ähnliche Prozentzahlen, als er die Leitung hatte).
Quellen:
Kauffman, Ellen, et al. “Cervical dilation on admission in term spontaneous labor and maternal and newborn outcomes.” Obstetrics & Gynecology 127.3 (2016): 481-488.
Schwarz, Clarissa. Entwicklung der geburtshilflichen Versorgung – am Beispiel geburtshilflicher Interventionsraten 1984-1999 in Niedersachsen. 2008. Technische Universität Berlin, Fakultät VII – Wirtschaft und Management. http://dx.doi.org/10.14279/depositonce-1992